Brachflächen-Exkursion (g)runderneuert im Waldviertel
Auf den Spuren der Industriegeschichte des Waldviertels - Exkursion am 9. Mai 2025

Die zweite Brachflächen-Exkursion mit dem Titel (g)runderneuert fand am 9. Mai 2025 im Waldviertel statt. Kuratiert wurde sie vom Architekturnetzwerk ORTE und unterstützt vom Brachflächen-Dialog und der eco-plus Betriebsansiedlungsgesellschaft. Hinter allen Standorten stecken Kümmerer, die mit viel Energie und Geduld an einer Wiedernutzung der Standorte arbeiten. Ihnen allen gilt unser besonderer Dank für ihre Pionierarbeit.
50 Personen nahmen an der ganztägigen Exkursion teil. Diese führte zu vier Arealen, die überwiegend von der Industriegeschichte des Waldviertels betroffen waren.
1. Ehemalige Strickwarenfabrik in Hirschbach bei Gmünd. Das um 1900 errichtete Fabriksgelände erstreckt sich über etwa 1.500 m² Grundfläche und umfasst Produktionsräume, Wohnbereiche, einen Stall, Scheunen sowie zwei Innenhöfe. Hier wurde gewohnt, produziert und Landwirtschaft betrieben. Zuletzt wurden bis 1966 Socken und Handschuhe für das österreichische Heer hergestellt. Nach über 50 Jahren Stillstand wurde die Immobilie von einem ArchitektInnenpaar gekauft. Für die Zukunft ist eine Wohnnutzung für mehrere Parteien und Finanzierung über ein Baugruppenmodell geplant.
Kümmerer: Barbara Reiberger-Callas und David Callas

2. MOMENT in Litschau. Hier wurde gezeigt, dass Entwicklung auch ohne Bodenverbrauch stattfinden kann. Eine ehemalige Tennishalle wurde zu einem Veranstaltungszentrum für Theaterworkshops umgebaut. Die ursprüngliche Halle wurde gedämmt und am Dach mit Photovoltaik-Panels ausgestattet. Außerdem wurde eine Zwischendecke eingezogen. Im Untergeschoss befindet sich heute ein großer Veranstaltungsraum und im Obergeschoss die Theaterwerkstätte mit zahlreichen Bühnenbildern und einem beeindruckenden Kostümdepot.
Kümmerer: Zeno Stanek


3. Ehemalige Glasfabrik Stölzle und Söhne. In Alt Nagelberg befindet sich auf einem Areal von rund 1,5 Hektar ein historischer Standort der Glasindustrie. Eine erstmalige Erwähnung der Glasproduktion geht auf 1725 zurück. Die Firma Stölzle produzierte von 1868 bis 1989 Hohlglas für Flaschen und Flakons – zu Spitzenzeiten arbeiteten bis zu 1.000 Personen am Standort. 2010 wurde die Produktion endgültig eingestellt.
Nach 20-jährigem Stillstand wird das Areal heute völlig anders genutzt. Auf einem Teil der Freiflächen sind rund 2.400 Photovoltaik Module mit eigener Trafostation installiert. Diese liefern seit Februar 2023 Strom für rund 1.000 Haushalte in das Stromnetz.
Darüber hinaus sind Gebäudeteile und Lagerflächen vermietet und Teile der Freiflächen werden für die Feldforschung genutzt, hier insbesondere für die Phyto-Sanierung von Schwermetall kontaminierten Böden.
In weiterer Folge sollen noch zusätzliche Photovoltaik Module auf den Dächern der Gebäude hinzukommen. Weitere innovative Aktivitäten rund um das Thema Energieerzeugung sind geplant, vor allem die Speicherung überschüssiger Energie durch Batterien und die Produktion von Wasserstoff mit „grünem Strom“.
Kümmerer: Rupert Leutgeb, Enit GmbH

4. Bobbin Möbel in Gmünd. Die letzte Station führte zu einer ehemaligen Möbelfabrik in Gmünd mit einer Fläche von rund 1,3 Hektar. Der Industriestandort hat eine vielfältige Geschichte vorzuweisen: in der Zwischenkriegszeit wurden Spulen für die Textilindustrie produziert (engl. Bobbin), während des 2. Weltkrieges erfolgte die Herstellung von Transportkisten und ab den 1950er Jahren Wohnwände. Aus dieser Zeit stammt der heute noch vorhandene Industriebau des Architekten Johann Staber. Die Möbelfabrik beschäftigte zuletzt 450 ArbeiterInnen und musste 1985 nach einem Konkurs die Produktion stilllegen. Das Areal wird heute wie folgt genutzt:
- Zwischennutzung für Kulturschaffende. Das ehemalige Verwaltungsgebäude dient dem Kulturverein „Subetasch“ als Atelier und Musikstudio.
- Teilnutzung. Eine Teilfläche von rund 5.000 m² wurde von der WV Lager GmbH 2018 saniert und bietet seither der Spedition Schnabl insgesamt etwa 13.500 m² Lagerfläche über mehrere Etagen.
- Leerstand. Das ehemalige Hauptproduktionsgebäude steht leer. Es verfügt über 2 große sehr helle Produktionshallen auf 2 Etagen, die auf eine Nachnutzung warten.
Kümmerer: Stadtbaudirektor Michael Prinz, Bürgermeisterin Helga Rosenmayer


Die Exkursion war nicht nur inspirierend, sondern zeigte einerseits die zahlreichen Möglichkeiten aber andererseits auch die enormen Schwierigkeiten bei der Brachflächen-Entwicklung auf. Wir hoffen auf ein zahlreiches Encore in anderen Regionen und danken dem Architekturnetzwerk ORTE für die großartige Kuratierung der Exkursion.